"Hebamme, gute Seele und Hausmeisterin"


Mit einem bewegenden Festakt beging die Bürgerstiftung "Ein Herz für Bad Nauheim" am Sonntag den bundesweiten Stiftungstag. Mitveranstalter war in diesem Jahr die Sparkasse Oberhessen. Deren Vorstandsvorsitzender Günter Sedlak hielt den Festvortrag zum Thema "Stiftungen in Deutschland - nie waren sie so wertvoll wie heute". Feierlicher Höhepunkt der Veranstaltung im gut gefüllten Konzertsaal der Trinkkuranlage war die Verleihung des Ehrenpreises der Stiftung an Brigitta Gebauer für ihr nachhaltiges Engagement zum Wohl der Stadt und ihrer Bürger.
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Den musikalischen Teil des Nachmittags gestaltete die 17-jährige Maria Kremer am Flügel. Die in Moskau aufgewachsene Schülerin der Ernst-Ludwig-Schule und der aus dem Iran stammende 19-jährige St.-Lioba-Schüler Ardalan Aram sind die beiden ersten Stipendiaten der Stiftung (Bericht folgt).                                                                                                            [Großaufnahme hier]

Stiftungspräsident Armin Häfner schätzte sich glücklich, derart viele Festgäste begrüßen zu können. Just zum Stiftungstag am 1. Oktober sei auch die Verlängerung des Gütesiegels in Kraft getreten, das der Bundesverband der badestädtischen Bürgerstiftung vor zwei Jahren verliehen hatte. Der Verband habe unter anderem die Verfolgung mehrerer Zwecke, die Unabhängigkeit von Politik, Wirtschaft und einzelnen Stiftern gewürdigt sowie insbesondere die transparente Informationspolitik.

Den deutschen Stiftungsboom der letzten Jahre nahm Günter Sedlak unter die Lupe. Im vergangenen Jahr hätten 880 Neugründungen bundesweit die Summe auf 13500 mit insgesamt 100 Milliarden Euro Kapital anwachsen lassen. Unter den 1316 hessischen Stiftungen sei die Bad Nauheimer Bürger-Stiftung die einzige im Wetteraukreis.

Einen Rückgang des bürgerschaftlichen Engagements könne sich die Gesellschaft heute nicht mehr leisten, so Sedlak weiter. Stiftungen förderten vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine neue Kultur des Miteinanders der Generationen. Sie fungierten als Bildungsträger und Kulturmotoren und übernähmen im schlanker werdenden Staat ein Plus an Bürgerverpflichtung. Stifter stifteten mehr Lebensqualität und Heimatverbundenheit, sie setzten Kreativität frei und wirkten als Impulsgeber auf der Grundlage eines "Koordinierungssystems für Werte und Normen". Fazit: "Stiftungen sind für eine gesunde Gesellschaft so wertvoll wie nie zuvor".
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Bürgermeister Bernd Witzel würdigte in seinem Grußwort das Engagement der Stiftung und insbesondere das der zu ehrenden Brigitta Gebauer. Ihr christlicher Glaube helfe ihr, die Kultur des Abendlandes und die Stadt Bad Nauheim zu ihrem alten Glanz zu erheben. Der Rathauschef wünschte, dass Gebauer in der Stadt als Vorbild angenommen werde und der Stiftung, dass sie den notwendigen, auch finanziellen Schwung bekomme.

Als Laudator ging Altbürgermeister Bernd Rohde auf das außergewöhnliche Wirken von Brigitta Gebauer ein. Seine  Ausführungen könnten nur einen marginalen Ausschnitt dessen widerspiegeln, was Gebauer über Jahrzehnte hinweg jenseits vom Rampenlicht geleistet habe. Auf seine Frage "Warum?" habe sie in ihrer bescheidenen Art geantwortet: "Weil ich so neugierigbin".

Als die vier Haupteinsatzgebiete Gebauers beschrieb Rohde die AG Geschichte, die Fotokunst, die Katholische Pfarrgemeinde St. Bonifatius und die russisch-orthodoxe Reinhardskirche. In allen Institutionen habe Gebauer ihre Zeit und Kraft dazu eingebracht, inhaltliche wie materielle Grundlagen zu schaffen. Geschichtstafeln, historische Führungen und Recherchen beispielsweise rund um den Habich-Brunnen, geschichtliche Dokumentationen in Wort und Bild oder Veranstaltungskonzepte, über 25 Jahre Pfarrgemeinderat, Kolpingfamilie und Pfarrarchiv gehörten ebenso dazu wie die schrittweise Sanierung der Reinhardskirche, deren Bedeutung für die Stadtgeschichte lange ein Schattendasein führte.

"Ohne Brigitta Gebauer wäre diese Kirche ein verlorenes Gut der Stadt. Sie ist deren Hebamme, gute Seele und Hausmeisterin", fügte Rohde als Vorsitzender des Fördervereins hinzu. Derart unprätentiöses Tun wie das Gebauers gebe es nur selten. Befragt nach Vorbildern habe Gebauer etliche legendäre Bad Nauheimer Namen genannt. "Sie brauchen keine Vorbilder, Sie sind selbst ein Vorbild für die Bürger dieser schönen Stadt", schloss Rohde.

Stadtverordnetenvorsteher Prof. Friedrich-Karl Feyerabend würdigte Gebauers Leistung, viele Facetten der Geschichte ins Bewusstsein der Bürger zu rücken.

Stiftungspräsident Armin Häfner überreichte Gebauer den zweiten Ehrenpreis in der Geschichte von "Ein Herz für Bad Nauheim". Das symbolisierte Salzkristall habe einen Sockel aus Holz erhalten, das aus den Grabungen in der Kurstraße stamme und Teil einer römischen Quellenfassung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. sei. Häfners Appell an die Politik: Das Ehrenamt ernst zu nehmen und durch ein gutes Verhältnis die Zukunft der Stadt zu sichern.

Dank an alle Weggefährten

Gebauer schloss in ihren Dank an alle Weggefährten den Hinweis auf das große Doppeljubiläum der Reinhardskirche ein: Die Kirche kann am 3. Oktober 2008 auf ihr 275-jähriges Bestehen und auf einhundert Jahre russisch-orthodoxe Geschichte zurückblicken. "Die Reinhardskirche verbindet in wunderbarer Weise meine Freude am christlichen Glauben und meine Neugier an der Geschichte. Hier wie auch bei den interreligiösen Kontakten ist das Kennenlernen des Andersgläubigen und der Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist, ein wichtiger Aspekt", sagte Gebauer. Unter den Anliegen der Geschichts-AG ging Gebauer auf die Wiedereröffnung des Salz- beziehungsweise eines Stadtmuseums und auf die Wiedererrichtung das Habich-Brunnens an der Kurhausterrasse ein, dessen Pläne Wilhelm Jost zugeordnet werden könnten.

Wenn ihre Freude am bürgerschaftlichen Engagement ansteckend sei, sei dies ein Gewinn für jeden Bürger und die Stadt, schloss Gebauer mit einem Wunsch für die Zukunft: "Dass das Herz von Bad Nauheim, der Sprudelhof mit seinen drei Heilquellen, einer würdigen Nutzung zugeführt wird, dass die Heilkraft unserer Quellen wieder neu entdeckt wird, dass ihre Champagnerfontänen wieder majestätisch springen und sich solche nicht nur in den Arkaden ergießen, und dass das wunderbare Ensemble Sprudelhof in seiner ästhetischen Schönheit erhalten wird - ganz nach dem alten Spruch von Pfarrer Wissig auf dem Rand des Sprudelbeckens, der uns Aussage und Verpflichtung ist und bleibt: "Auf Gottes Geheiß aus der Tiefe geboren, der Lebenden Leiden zu lindern erkoren".

Bildunterschriften (Fotos Hausmanns)
Bild oben links:
Brigitta Gebauer erhielt für ihr Engagement den Ehrenpreis der Bürgerstiftung aus den Händen von Präsident Armin Häfner.
Bild Mitte rechts:
Stiftungs-Stipendiatin Maria Kremer spielte sich in die Herzen der Festgäste.
Bild unten links:
Den Festvortrag hielt Günter Sedlak, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Oberhessen.


 

 
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