Deutschland hat eine Zuwanderer-Elite
Bad Nauheim (jow). Ende September haben 23 hessische Schüler mit Migrationshintergrund im Rahmen einer Festveranstaltung in der Deutschen Nationalbiliothek in Frankfurt am Main ihre Aufnahmeurkunde als START-Stipendiaten entgegengenommen. Die Hertie-Stiftung hat das START-Programm im Mai 2002 in Hessen ins Leben gerufen, um Zuwandererkinder gezielt zum Abitur zu führen. In diesem Jahr befindet sich unter den Stipendiaten auch eine Schülerin der Ernst-Ludwig-Schule (ELS), die 17-jährige Maria Kremer aus Bad Nauheim.
Gefördert wird das Programm sowohl vom hessischen Kultusministerium als auch von zahlreichen regionalen Stiftungen, wie der Bürgerstiftung "Ein Herz für Bad Nauheim". Die Aufnahme in das Stiftungsprogramm ist mit handfesten Unterstützungen verbunden. Mit Beginn des neuen Schuljahres erhalten die Stipendiaten einen PC, 100 Euro Bildungsgeld pro Monat sowie Beratungsangebote und Bildungsseminare.
Für die Bad Nauheimer Stipendiatin geht die Förderung noch weiter: "Die Bürgerstiftung ermöglicht mir die Teilnahme an einem Computerkurs", erzählt Maria Kremer glücklich. "Außerdem bekomme ich seit
September wieder Klavierunterricht und kann täglich in der Musikschule üben". Mit dem Klavierspielen hat Maria bereits vor acht Jahren in ihrer Heimat Russland begonnen. Im Juni 2005 ist sie mit ihrer Mutter und ihrem heute achtjährigen Bruder von Moskau zunächst nach Friedberg gezogen. "Wegen der zunehmenden Terroranschläge und der antisemitischen Stimmung in Russland sind wir durch die Flüchtlingshilfe nach Deutschland gekommen", erklärt die Halbjüdin.
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Auf die Übersiedlung hatte sie sich bereits in Moskau neben der Schule mit einem privaten Deutschkurs vorbereitet. Auch jetzt möchte Maria ihre Deutschkenntnisse außerhalb der Schule erweitern. Zwar ergab der Durchschnitt des Abschlusszeugnisses der 10. Klasse die Note 2,5, doch die wissbegierige Schülerin wäre gerne noch besser.
Neben den sprachlichen Pflichtfächern Deutsch und Englisch belegte die 17-jährige auch Russisch und Spanisch. "Mir machen grundsätzlich alle Fächer Spaß, manchmal kommt es allerdings auch auf die Lehrer an", meint Maria. "Mein Lieblingsfach ist aber Mathe". So soll später auch ihr Beruf etwas mit Mathematik zu tun haben. "Aber keine Lehrerin. Ich möchte lieber wissenschaftlich arbeiten". Bei solch vielseitigem Interesse verwundern auch die Hobbys der jungen Russin nicht: Neben dem Klavierspielen liest sie in ihrer Freizeit gern verschiedensprachige Literatur, zeichnet oder malt in Aquarell und Öl.
Gute schulische Leistungen und das Engagement sind neben materieller Bedürftigkeit Voraussetzung für die Aufnahme in das START-Programm. Für die Bewerbung mußten die Stipendiaten ein Gutachten ihrer Schule, einen ausführlichen Lebenslauf sowie Schulzeugnisse vorlegen. In Auswahlgesprächen wurden die besten Bewerber ermittelt. "Die große Resonanz, auf die unser Anliegen stößt, zeigt Deutschland hat eine Zuwanderer-Elite", freut sich Dr. Michael Endres, Vorstandsvorsitzender der Hertie-Stiftung bei der Stipendien-Verleihung in Frankfurt. Kultusministerin Karin Wolff betonte in ihrer Rede: "Sprache und Bildung sind entscheidende Faktoren für eine gelingende Integration. Sprachliche Förderung und schulische Qualifationnen erhöhen nicht nur die beruflichen Chancen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sondern stärken auch ihre sozialen und interkulturellen Kompetenzen".
Dessen ist sich auch Maria Kremer bewusst. Sie ist glücklich, dass die ELS sie für das Programm vorgeschlagen und unterstützt hat. Außerdem gilt ihr Dank neben der Hertie-Stiftung und dem hessischen Kultusminsterium vor allem der Bürgerstiftung "Ein Herz für Bad Nauheim".
Bleibt zu hoffen, dass die junge Neu-Bad-Nauheimerin die Chancen für eine bessere Zukunft ihrer Familie nutzen kann.
Foto Weber (Wetterauer Zeitung)